Kunst wird im Moment ihrer Entstehung als zeitgenössisch bezeichnet, und zwar so lange, wie die gesellschaftlichen und ästhetischen Diskurse auf die sie Bezug nimmt, von uns als gegenwärtig empfunden werden. Trotz dieser Phase der Zeitgenossenschaft sind Arbeiten der Bildenden Kunst im Moment ihrer Präsentation bereits 'gealtert', liegt doch gewöhnlich eine Zeitspanne zwischen der Entstehung des Kunstwerks und seiner erstmaligen Präsentation. Diese Asynchronität von Produktion und Rezeption begründet die Bewahrbarkeit bildender Kunst und ermöglicht ihre Wertschätzung als historisches Kulturgut.
Wie verhalten sich diese Beobachtungen aber zur so genannten Interaktiven Kunst, die unter der Prämisse steht, dass das Werk erst durch die aktive Handlung des Rezipienten realisiert wird?
Interaktion, im ursprünglichen Wortsinn 'Wechselwirkung', wurde im Laufe des 20. Jahrhunderts in zunehmendem Maße mit der Vorstellung von wechselseitig aufeinander Bezug nehmender Handlung gleichgesetzt und verlangt demnach eine Ko-Präsenz der Interaktionspartner. In der Interaktiven Kunst sind diese Partner jedoch gewöhnlich nicht Rezipient und Künstler, sondern Rezipient(en) und System. Das vom Künstler konfigurierte System suggeriert jederzeit – unabhängig von seinem Produktionsdatum - Liveness und Aktualität der Rezeption, ist es doch die individuelle und aktive Erfahrung der immer wieder neuen und so nicht wiederholbaren Interaktion, die als Paradigma der (interaktiven) Medienkunst gefeiert wird.
Interaktive Kunst provoziert damit ein Nachdenken über unsere in zunehmenden Maße medial vermittelte oder inszenierte Raum- und Zeitwahrnehmung. Die Vorstellung von Präsenz beschränkt sich nicht mehr auf den homogenen physischen Raum und die linear strukturierte Zeitlichkeit. Sie konstituiert sich in der Überlagerung von digitalen und physischen Räumen, von erlebter und prozessierter Zeit - von Zeiten und Räumen des Kunstwerks einerseits, des individuellen Erlebens andererseits.